17. Newsletter

Im letzten halben Jahr, seit unserem 16. Newsletter von Ende Juni, stand unsere Vereinsarbeit ganz im Zeichen unseres Klageverfahrens gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Fehmarnbelt-Tunnel. Hinzu kamen das neu eröffnete Planfeststellungsverfahren für den Ausbau der Schienen-Hinterlandanbindung und ein Revisionsverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Die Covid-19-Pandemie behinderte und behindert unsere Vereinsarbeit weiterhin in hohem Maße. Lediglich der Vereinsvorstand trat in diesem Halbjahr zweimal zusammen. Unsere Öffentlichkeitsarbeit musste auf Medienarbeit beschränkt bleiben; es gab mehrere Interviewanfragen zum Klage-verfahren beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG).

Der Vorstand arbeitet immer noch kommissarisch, weil die für die Neuwahl erforderliche Mitgliederversammlung aufgrund der Pandemie-Verordnungen nicht stattfinden kann.

Dennoch gab es viel Arbeit für den Vorsitzenden im Zusammenhang mit der Klagevorbereitung Belttunnel und seiner gutachterlichen Tätigkeit bei der Klageverhandlung in Leipzig. Nicht
unerwähnt bleiben darf dabei die engagierte Unterstützung unseres Rechtsanwalts, Dr. W. Mecklenburg.

Abweisung unserer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Fehmarnbelttunnel

An den fünftägigen mündlichen Anhörungen des Gerichts und seiner einen Monat später erfolgten Urteilverkündung nahmen von unserem Verein unser Mitglied Frau Ulrike S. Schulze und
unser Vorsitzender, Hendrick Kerlen teil; letzterer auch als Gutachter zu einigen bautechnischen Klagepunkten. Unser Prozessbevollmächtigter war – und ist auch weiterhin – Dr. W. Mecklenburg.

Die Deutlichkeit, mit der das BVerwG alle Klagen abwies, hat nicht nur die Kläger verblüfft,
sondern auch die beklagte Landesregierung und insbesondere den beigeladenen Vorhabenträger Femern A/S. Die dem Urteil einen Monat voraufgegangenen fünftägigen Anhörungen zu den vielen Klagepunkten hatten vor allem in den ersten vier Verhandlungstagen ein wesentlich differenzierteres Urteil erwarten lassen. Allerdings wurde am Nachmittag des letzten Verhandlungstags wurde anhand eines wichtigen rechtlichen Hinweises des Senats dessen einseitige Parteinahme zugunsten der Beklagten und Femern A/S erkennbar. Hierbei handelte es sich um eine Warnung an das Amt für Planfeststellung Verkehr vor einer Änderung des Planfeststellungsbeschlusses, die zu dessen Aufhebung geführt hätte; an die Kläger ergingen solche hilfreichen Hinweise nicht.
Das Urteil weicht in einigen Klagepunkten wesentlich von dem Bild ab, das sich vor allem in den ersten vier Verhandlungstagen abzeichnete. Hierzu zählen u.a. folgende Behauptungen der
mündlichen Urteilsbegründung.

  1. Keine unüberwindbaren Hürden für die Tunnelfinanzierung erkennbar
  2. Keine erhöhten Kollisionsrisiken beim Schiffsverkehr
  3. Sedimentfreisetzung unerheblich in Relation zur wesentlich größeren natürlichen
    Schwebstofffracht; vorgeschlagenes Kontrollkonzept nicht zu beanstanden
  4. Auswirkungen auf Schweinswale unerheblich, dazu ausreichende Schutzauflagen im
    Planfeststellungsbeschluss
    Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung e.V.
    Dezember 2020 Seite 2
  5. Erfassung Rastvogelbestände und der Miesmuschelvorkommen nicht zu beanstanden
  6. Alle verwendeten Modelle sind methodisch einwandfrei und hinreichend aussagekräftig;
    Eiderenten können und werden bei Futtermangel in andere Seegebiete ausweichen.
  7. Stichprobenartige Bestandsaufnahme und Modellierung der vorhandenen Riffe war
    ausreichend; allerdings Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses zur Zulässigkeit
    des Eingriffs und Festlegung von Kompensationsmaßnahmen erforderlich.
  8. Vorgabe des Landesentwicklungsplans nach möglichst umweltgerechter Querung wurde
    eingehalten; Bohrtunnel bietet keine bessere Umweltlösung als der Absenktunnel, dafür
    aber 1/3 teurer.
  9. Der Vorhabenträger hat (Sicherheits-)Standards beim Absenktunnel und anderen
    Maßnahmen höher als erforderlich definiert; dies gilt auch im Hinblick auf ein etwaiges
    Bauwerksversagen bei Güterzugbränden.
  10. Straßenanbindung für Fährhafen Puttgarden wurde optimiert mit eigener Fahrspur und
    Ampelanlage.
  11. Im Hinblick auf die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts, wonach ein Kostenausgleich zum Fehmarn-Bezirkserweiterungsgesetz für den Tunnel-Brandschutz bis Ende 2021 von Landesregierung geregelt werden muss, andernfalls entfalle Bezirkserweiterung
    von Fehmarn, gebe es keine verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich der Bezirkserweiterung.

Für diese und andere Behauptungen muss der 9. Senat nun binnen einer Frist von fünf
Monaten eine überzeugende schriftliche Begründung erbringen. Und das dürfte ihm nicht
leichtfallen. Vermutlich wird uns das ausgefertigte Urteil erst im Mai 2021 vorliegen. Der
Widerspruch in den Behauptungen unter (5) und (6) ist evident, denn bei den Riffen hat die
Modellierung grade im weiteren Tunnelkorridor völlig versagt. Bei der Behauptung zu (6) dürfte
die Begründung für das Ausbleiben eines Massensterbens von Eiderenten sehr problematisch
ausfallen und insbesondere bei der Modellierung angreifbar bleiben. Gleiches gilt für
Behauptung (9) im Zusammenhang mit der Standsicherheit des Tunnels im Falle eines
Güterzugbrands, die in der mündlichen Urteilsbegründung unerwähnt blieb. Dabei hatte der Vorsitzende des Senats, Dr. Bier, unsere diesbezügliche Argumentation als sehr
bemerkenswert hervorgehoben.
Bei dem Urteil kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass das Gericht zu ihm mehr über diplomatische denn rechtliche Abwägungen gelangt ist. Sein tiefer Kotau gegenüber dem
Folketing und der dänischen Regierung wird von letzteren erfreut gewürdigt. Dieser Eindruck
verschärft sich noch angesichts des ausdrücklichen richterlichen Lobes für die „makellose und
gründliche“ Planung, das Dr. Bier bei der Urteilsbegründung an Femern A/S erteilte.

Wir stufen dieses Urteil als höchst besorgniserregend ein. Dies schon allein, weil letzteres Artenschutz- und Umweltrecht noch rigoroser als zuvor dem Planerhalt – sprich dem Bestand des Planfeststellungsbeschlusses – unterwirft. Das Gericht verfestigt damit nicht nur seine seit der Jahrtausendwende geänderte Rechtsprechung, in der die zuvor gängige Aufhebung von erheblich fehlerhaften Planfeststellungsbeschlüssen kaum noch eine Rolle spielte.

Das Gericht geht mit seinem vorliegenden Urteil gegenüber seiner in den letzten beiden
Jahrzehnten praktizierten und auf Fehlerkorrektur im laufenden Verfahren zielenden
Rechtsprechung offenbar noch einen Schritt weiter: Es will die Fehlerheilung letztlich einer
freiwilligen Initiative der Planer überlassen. Eine Erklärung der Rechtswidrigkeit zu
Gunsten klagender Umweltverbände soll nicht mehr erfolgen. Hiermit und für die
Zukunft würden umweltrechtliche Verbandsklagen von vornherein erfolglos. Das
Gericht überlässt zukünftig den Vorhabenträgern, welche technischen und wissenschaftlichen
Qualitätsstandards sie ihren Planungen zugrunde legen. Nichts anderes hat der 9. Senat
getan, indem er den dänischen Vorhabenträger ob der „hohen“ Güte seiner Planung und der
verwendeten Methoden lobte. Mit den Worten „Femern A/S hat keine Fehler gemacht“ sowie
der Hervorhebung „methodisch ordnungsgemäßes Vorgehen “ attestiert der Senat dem
Vorhabenträger eine durchgängige Makellosigkeit seiner Planung.

Für die Kläger und deren mit der Unterlagenprüfung betrauten Fachleute sowie Wissenschaftler klingt dieses Lob wie blanker Hohn. Aufgrund ihrer eingehenden Analysen teilen sie
diese richterliche Wertung in keiner Weise. Mit entsprechender Spannung und erheblicher
Skepsis sehen sie deswegen der schriftlichen Urteilsbegründung entgegen.
Das Urteil des 9. Senats erklärt den völkerrechtlichen Staatsvertrag zwischen Dänemark und Deutschland zum unantastbaren rechtlichen Fundament für das Gesamtvorhaben Feste Fehmarnbeltquerung und die damit verbundenen Investitionen. Geht es aber um Umweltschutz, und hier insbesondere um die Stärkung des Umweltrechts durch Verbandsklage-recht, kommt das Völkerrecht beim Bundesverwaltungsgericht weitgehend unter die Räder. Mit dem vorliegenden Urteil versucht das Gericht, die Effizienz des deutschen Verbandsklagerechts enorm zu reduzieren. Letzteres beruht jedoch auf europarechtlicher Grundlage. Die Zulässigkeit dieser Aushöhlung ist deswegen auf Vereinbarkeit mit dem Europarecht und letztlich auch der Aarhus-Konvention zu prüfen. Auf die Notwendigkeit einer Klärung europarechtlicher Fragen zu verschiedenen Klagepunkten hat das Aktionsbündnis mehrfach in seiner Klagebegründung hingewiesen. Der Senat hätte über solche Fragen nicht ohne Anrufung des
Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu dessen Vorabentscheidung urteilen dürfen. Dies hat
das BVerwG versäumt, vermutlich wegen der mehrjährigen Bearbeitungs-dauer solcher
Anfragen beim EuGH. Es ist jedoch bereits dann zur Einholung einer Vorab-entscheidung des
EuGH verpflichtet, wenn es Zweifel an seiner richtigen Auslegung einer europarechtlichen
Norm hat. Zu den von uns aufgeworfenen Rechtsfragen gehören u. a. die Finanzierungsfragen
(unsichere Staatsbeihilfen), fehlende prozessuale Verfahrensfairness (Ungleichbe-handlung
von Kläger und Behörden bei der Präklusion), Klima und Klimawandel, Mikroplastik im
Straßenabwasser, Tunnel-Risikoanalyse (Güterzugbrand). Damit hat der Senat dem
Aktionsbündnis den „gesetzlichen Richter“ entzogen, denn der EuGH ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der gesetzliche Richter im Sinne von Artikel 101
des Grundgesetzes. Diesen Verstoß wird das Aktionsbündnis nach entsprech-ender Prüfung
des schriftlichen Urteils mit der Verfassungsbeschwerde angreifen. Ferner werden wir prüfen, ob der Senat bereits im mündlichen Verfahren gegen seine Neutralitätspflicht und das
prozessuale Fairnessgebot verstoßen hat. Im Falle einer Bejahung wäre dazu ebenfalls eine
Verfassungsbeschwerde gerechtfertigt.
Trotz des für uns sehr enttäuschenden Urteils haben wir dennoch keinen Grund zu resignieren.
Zusätzlich können wir Beschwerden bei den Sekretariaten von völkerrechtlichen Konventionen zur Korrektur des vorliegenden Urteils einlegen. So kann das Aktionsbündnis beim UNECE-Komitee der Aarhus-Konvention eine Beschwerde zur mangelhaften Anwendung der Aarhus-Konvention durch das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Verbandsklage erheben. Laut ESPOO-Konvention darf bei grenzüberschrei-tenden Projekten keine Baugenehmigung per Gesetz erteilt werden. Insofern verstößt das dänische
Baugesetz für den dänischen Teil der Festen Fehmarnbeltquerung gegen diesen
völkerrechtlichen Vertrag. Hier käme zumindest eine Beschwerde beim ESPOO-Komitee
verbunden mit der Bitte einer Prüfung bzw. Stellungnahme in Frage.
Das jetzt seitens des Bundesverwaltungsgerichts gefällte Urteil ist also keineswegs geeignet,
den Planerhalt wie angestrebt zu zementieren.
Völlig verfrüht waren nach der Urteilsverkündung Nachrichten, nun könne Femern A/S auch in
deutschen Gewässern mit den Bauarbeiten loslegen. Zuvor muss jedoch das Planergänzungsverfahren zu den Riffen abgeschlossen sein.

Revisionsverfahren von Scandlines und anderen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH)

In unserem 16. Newsletter erwähnten wir, dass Scandlines und andere Reedereien
gegen das Staatsbeihilfe-Urteil des Europäischen Gerichts vom 13.12.2018 Revision
beim EuGH eingelegt haben mit dem Endziel, eine Untersagung der dänischen Staatsbeihilfen durchzusetzen. Wir sind diesem Revisions-verfahren als Streithelfer (Nebenkläger) zugunsten der Reedereien beigetreten. Eine Verhinderung der Staatsbeihilfen hätte schwerwiegende Auswirkungen auf die Finanzierbarkeit des BeltTunnels und könnte sogar das Projekt insgesamt scheitern lassen. Am 26. November fanden nun beim EuGH die Anhörungen statt. Herr Dr. Mecklenburg und unser Vorsitzender hatten zwar geplant, an dieser Verhandlung teilzunehmen, mussten dies aber wegen der grassierenden Pandemie aufgeben. Von der die Kläger und uns vertretenden Kanzlei Gibson Dunn Crutcher hörten wir, dass der Gerichtshof sich hauptsächlich für die Frage interessiert habe, ob die Staatsbeihilfen für den Ausbau der dänischen Schienen-Hinterlandanbindung (A/S Femern Landanlaeg) mit Europarecht vereinbar sind. Das Urteil liegt noch nicht vor.

Schienen-Hinterlandanbindung Lübeck – Puttgarden

Zu berichten ist in diesem Zusammenhang zunächst vom Beginn des Genehmigungsverfahrens für den gesamten Ausbau- und Neubauabschnitt zwischen Lübeck und Puttgarden.
Dass dafür ausgerechnet der Abschnitt Fehmarn als erster von den Vorhabenträgern
ausgewählt wurde, ist nicht nachvollziehbar, weil es auf Fehmarn zur Bündelung von vier
Verkehrsprojekten kommt: die Eisenbahnrampe zum Belttunnel, die Bahnstrecke über die
Insel, parallel dazu die Verbreiterung der B207 und, vom Planungsstand her verzögert, die
Fehmarnsundquerung.
Ferner soll hier auf die wenig befriedigende Bundestagsentscheidung zur Finanzierung der
von den Projektbetroffenen geforderten „übergesetzlichen“ Maßnahmen zur Wahrung ihrer
Lebensqualität eingegangen werden.

Planfeststellungsverfahren

Das Genehmigungsverfahren für dieses Teilprojekt der FFBQ hat die DB Netz AG als Vorhabenträger in acht Planfeststellungsabschnitte (PFA) und sogar neun Planfeststellungsverfahren aufgeteilt. Die neue Fehmarnsundquerung bildet eines dieser neun Verfahren. Ganz offensichtlich folgt die Bahn damit einer Salamitaktik, mit der in den einzelnen Verfahren die Zahl der betroffenen Bürger und Gemeinden möglichst klein gehalten werden kann. Das mindert die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Projektbetroffenen zu größeren Bündnissen zur
Durchsetzung ihrer Forderungen zusammenschließen.
Am 31. August leitete der Vorhabenträger das Planfeststellungsverfahren für den
Projektabschnitt 6 Fehmarn mit der öffentlichen Auslegung der Planfeststellungsunterlagen ein. Der Abschnitt erstreckt sich vom Südende der Fehmarnsundbrücke bis nach Puttgarden.
Einwendungen waren bis zum 14. Oktober einzureichen. Bei der Befristung der Öffentlichkeitsbeteiligung fällt auf, dass diese zeitgleich mit der Klageverhandlung beim BVerwG erfolgte. Da wir und auch der NABU uns vorrangig auf die Klage vorbereiten und unsere mehrtägige Anwesenheit bei deren Verhandlung erforderlich war, blieb uns wenig Zeit für eine eingehende Auswertung der Planfeststellungsunterlagen. Dennoch konnten wir fristgemäß mehr als 100 Seiten umfassende Einwendungen einreichen. Es wären sicherlich mehr geworden, wenn wir ausreichend Zeit zur Prüfung der Planungen gehabt hätten. Die Unterlagenprüfung ergab das gleiche Ergebnis wie schon zuvor bei den Planfeststellungsverfahren für den Ausbau der B 207 und den Fehmarnbelt-Tunnel: Die Planung entpuppte sich wieder mal als ein Versuchsballon – zum Testen einerseits des projektbezogenen Problembewusstseins oder der Ignoranz der Bürger und Verbände. Und andererseits, wie sich eine Projektgenehmigung mit möglichst minimierten Planungsaufwand erreichen lässt. Die Unterlagen glänzen mit vielen unbegründeten Behauptungen, mangelhaften, teils auch widersprüchlichen oder gänzlich fehlenden Untersuchungen zu Artenschutz und umweltrechtlichen Belangen. Bewährtes Rezept: rechtlich gegen eine Genehmigung sprechende Probleme erst gar nicht erwähnen oder verschleiern. Da die Unterlagen gleichzeitig mit einer Fülle allgemeiner Informationen zur ganzen Aus- und Neubaustrecke überfrachtet sind, findet man in ihnen nur schwer die für Fehmarn relevanten Informationen.
Schon dies allein ist rechtswidrig! Nach der unerlässlichen Abstimmung der Pläne mit jenen
für die neue Fehmarnsundquerung sucht man vergeblich, weil die Genehmigungsplanung für
letztere noch gar nicht vorliegt. Die Vermutung liegt nah, dass diese Weise eine rechtlich zwar
vorgeschriebene Gesamtschau der Vorhabenauswirkungen umgangen werden soll.
Umfängliche Planänderungen sind absehbar und werden uns weitere Arbeit und Kosten aufbürden. Auch die Bahn geht von Planänderungen aus, wie aus ihren Informationsbroschüren ersichtlich. Die exorbitanten Kosten und marginalen Nutzwirkungen entziehen dem Projekt die notwendige gesetzliche Rechtfertigung. Das mündliche Urteil des BVerwG enthält keine Hinweise, wieweit der Staatsvertrag zum Bau des Bahnprojekts dennoch verpflichtet. Hierzu wird die schriftliche Urteilsbegründung zu prüfen sein.

Finanzierungsbeschluss für übergesetzliche Schutzmaßnahmen

Zu den Forderungen der vom Bahnprojekt betroffenen Region auf Schutzmaßnahmen
berichteten wir bereits im letzten Newsletter. Insgesamt summieren sich deren Kosten auf rund
595 bis 640 Mio. Euro. Der nun am 1. August 2020 gefasste Bundestagsbeschluss sichert eine
Kostenübernahme von 232 Mio. Euro zu, allerdings mit der Einschränkung, dass sich das Land Schleswig-Holstein daran beteilige. Diese erhebliche Kürzung um 363 Mio. Euro (über 60 %) begründet der Bundestag mit der vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) als prekär ermittelten Projektwirtschaftlichkeit (NKV von 1,2). Nach Auffassung seines Verkehrsausschusses würde eine Vollfinanzierung der notwendigen Schutzmaßnahmen zur Unwirtschaftlichkeit des Projekts und zu einem Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von unter Eins führen.

Mit dieser Einschätzung offenbaren sowohl das Verkehrsministerium als auch der Ausschuss
ein erschütterndes Maß von Ignoranz an volkswirtschaftlichem Wissen, insbesondere im
Bereich der Wohlfahrtsökonomie. Die Wirtschaftlichkeit eines Projekts lässt sich nicht durch Kürzungen des investiven Kostenrahmens retten. Aus volkswirtschaftlicher Sicht verursacht jedes Projekt bestimmte gesamtwirtschaftliche Kosten. Diese setzen sich aus den direkten geldwerten Kosten und indirekten Kosten zusammen. Zu letzteren gehören der Ressourcenverbrauch bei Umwelt, Natur und unter anderem auch die Lebensqualität der Projektbetroffenen. Dies sind alles volkswirtschaftliche Größen, deren Geldwert nur teilweise ermittelt werden kann. Hinzukommt, dass die Projektbefürworter und Vorhabenträger in der Genehmigungsphase erfahrungsgemäß kein Interesse an einer redlichen Kostenermittlung haben. Die nachhaltige Wirtschaftlichkeit eines Projekts lässt sich nicht durch Haushaltsentscheidungen in Anlehnung an kameralistische Prinzipien erzwingen. Wirtschaftlichkeit kann nur durch eine Anpassung (Umplanung) der Projektauslegung an den vorhandenen Bedarf erzielt werden. Andernfalls muss das Projekt aufgegeben werden.
Beim Bahnprojekt Lübeck-Puttgarden haben das Dialogforum und die Projektbeiräte in einem
mehrjährigen Aushandlungsprozess mit der Bahn die notwendigen Maßnahmen und deren Kosten zum weitgehenden Erhalt der Lebensqualität in der Region ermittelt. Da der Bundestag davon nur 232 Mio. Euro bereitstellt, bürdete er in Wirklichkeit den Rest von 363 Mio. Euro den Projektbetroffenen in Form verlorener Lebensqualität bzw. sozialer Kosten auf. Für den Jubel der Projekt-befürworter über diese milde Gabe besteht also gewiss kein Grund! Bemerkenswert ist beim Bundestagbeschluss: er fußt auf einem überhöhten NKV. Das vom BMVI angegebene NKV von 1,2 resultiert aus erheblich zu niedrigen Kostenannahmen, weil die vom Vorhabenträger geschätzten Baurisiken darin unberücksichtigt sind. Andernfalls sinkt das NKV auf 0,85.

Planungen für die neue Fehmarnsundquerung

In diesem Jahr war bei diesem Projekt von der seitens der DB Netz AG beteuerten Planungstransparenz nicht viel zu merken. Es gab allerdings am 10. Dezember in Großenbrode eine Informationsveranstaltung für die Bürgermeister von Fehmarn und Großenbrode und die Fraktionsvorsitzenden der beiden Gemeinden. Interessierte Bürger blieben wegen der Pandemie ausgesperrt. Laut Zeitungsmeldung vom 11.12. ist die Vorplanung abgeschlossen; im kommenden Jahr sollen die Entwurfs- und Genehmigungsplanung energisch vorangetrieben werden. Vorhabenträger sind die DB Netz AG und die Deges GmbH, wobei letztere für den Straßenteil des Tunnels zuständig ist. Der Tunnel wird westlich von der bestehenden Brücke mit einer Gesamtlänge zwischen den
Portalen von 1,7 km gebaut. Die acht Tunnelelemente werden in einem Trockendock vorgefertigt. Dieses soll im Trassenbereich auf der Großenbroder Seite des Sunds liegen und wird nach Verlegen bzw. Einbau der Tunnelelemente im Sund wieder verfüllt. Im kommenden April sollen die Baugrunderkundungen anlaufen. Die Querung soll zeitgleich mit dem Fehmarnbelttunnel fertig werden.

Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss B 207

Im letzten Newsletter kündigten wir an, dass unsere Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau der B207 beim OVG Schleswig Anfang Dezember verhandelt werden sollte. Das Gericht verlegte diesen Termin jedoch nochmals, nunmehr auf das Zeitfenster 16. bis 18. Februar 2021. Aus der vom Gericht angesetzten dreitägigen Verhandlungsdauer ist ersichtlich, dass es bei diesem Planfeststellungsbeschluss erheblichen Klärungsbedarf sieht. Deswegen werden wir uns auch für diesen Termin nach Weihnachten gründlich vorbereiten müssen.
Wie dieser Newsletter zeigt, bleibt für unseren Verein weiterhin viel zu tun. Daran ändert das
für uns enttäuschende Urteil des BVerwG auch nichts. Ganz im Gegenteil!
Verbunden mit der Bitte um Eure weitere Unterstützung wünscht der Vorstand allen
Vereinsmitgliedern und ihren Angehörigen ein frohes Weihnachtsfest und ein glückliches und
gesundes neues Jahr.